
Das Unglaublichste am Leben ist für mich die unumgängliche Tatsache, dass das Leben endlich ist.
Und das Unglaublichste am Leben ist für mich die Tatsache, dass das Leben trotz seiner physischen Endlichkeit unendlich ist.
Dazwischen liegen unser Strampeln, Taumeln, unser aufrechter Gang und der freie Fall nach jedem einzelnen Schritt. Zwischen der physischen Endlichkeit und der Unendlichkeit aller Energie liegt der magische Moment der Menschwerdung. Diesen können wir alleine beschreiten und doch nur im Teilen und Teilhaben mit Glück bestücken.
Ich habe in meinem Leben einige Menschen kennengelernt, denen Leben nicht einfach fiel. Ich konnte sie über längere Zeiträume in (inniger) Verbundenheit begleiten, trotz vieler räumlicher Entfernungen. Sie ließen mich in schwierigen Lebensphasen teilhaben an ihren inneren und äußeren Kämpfen. Und ich konnte ihnen mit viel Zuhören und gelegentlichen Ratversuchen für den Moment helfen oder auch nur zeigen, dass sie nicht allein sind in den Augenblicken, in denen sie trotz allem annehmen konnten. Manche versuchten mit diversen Rauschmitteln sehr oft, zuweilen täglich der Realität zu entkommen, schmerzende, ungewollte Gefühle zu betäuben, zu vergessen, zu verdrängen. Dann blieb mir oft nichts anderes übrig als zuzusehen, wie sie sich selbst in ihren dunklen Gemächern aller Energie beraubten und einer gemeinsamen Freundschaftsebene entzogen. Sie ließen einen mit Sorgen erfüllt allein zurück und unterbrachen einen Austausch mittendrin. Irgendeine Wahrheit konnte oder wollte nicht mehr kommuniziert werden, irgendein Kampf auf dem Weg war nicht mehr mitteilbar.
Wir kämpfen alle mit unseren Selbstzweifeln, mit Unsicherheiten, mit dem Weltschmerz an vielen grauen Tagen, mit dem Verlust des inneren Kindes, mit dem Verlust einer geliebten Person. Wir schultern Tag für Tag unsere Persönlichkeit(en) zur Arbeit, zu Begegnungen mit Bekannten, Unbekannten, mit neuen Herausforderungen. Und wollen manchmal schon am frühen Morgen bloß durch die Sekunden des Tages in den Abend hineinlaufen. Wir versagen, treffen aus der Rückschau betrachtet falsche Entscheidungen, füttern Ängste mit alten Traumata und fallen von unserem Ross zu Boden. Und dieser Fall, egal ob im Rausch oder bei vollem Bewusstsein, dieser Fall zu Boden ist niemals ein elegantes Beugen zum Selbstschatten. Es ist immer ein schmerzvoller Aufprall. Und immer ist es die einsamste Erfahrung.
Wie ich mich aus früheren Misshandlungen befreie und weiß, dass sie nie aufhören und meine Seelenfreunde werden bis zum letzten Atemzug. Wie sich diese Hässlichkeit hartnäckig in meinen warmen Ecken ausbreitet und die Geduld aller Plagen mit sich trägt.
Auch ich kann mich gelegentlich Berauschungswünschen nicht entziehen. So einen beinah nur Minutenrausch von kaum kontrollierbarer Entspannung würde ich dann zu gerne zu einem Tagesrausch ausdehnen und alles Denken dem Fühlen überlassen. Die Kontrolle abgeben, Entscheidungen aufschieben, Verantwortung in die Ecke stellen und den Ernst aller Vernunft gänzlich abschütteln.
Manchmal wäre Aufgeben eine Option, nur eben keine fürs Herz.
Wir können die Menschen, die wir lieben, nicht retten.
Einige Freundschaften und familiären Bande zerbrachen an dem Ungelösten im Herzen, mit einer Vorahnung oder völlig überraschend trennten sich unsere Wege. Manchem Fehlen stehe ich noch heute auch nach vielen Jahren hoffnungsvoll offen gegenüber und lasse das Schicksal über eine Neubegegnung walten. Andere suchte ich aktiv dem Schweigen wieder zu entziehen. Wieder anderen trauere ich nicht (mehr) hinterher. Und für die wenigsten würde ich wieder Worte hinauswerfen in des Himmels Weiten und eine gemeinsame Sprache ans Land ziehen wollen.
Ich strecke meine Hand nach dir aus. Und ich möchte eine Hand erblicken, die nach mir zu greifen begehrt. Auch ich bin manchmal verloren im Irrgarten des Lebens. Stark zu sein bedeutet dann nicht, dass man nicht schwach sein möchte. Stark zu sein bedeutet nicht, dass man nicht einen Freund ersehnt, der sich stillschweigend den eigenen Blödsinn anhört, einem sagt, was für einen Blödsinn man doch von sich gibt und sich anschließend neuen Blödsinn weiter anhört. Und trotzdem Freund bleibt.
Ich will hier nicht stehen bleiben. Ich schreibe gerne und habe auch manchmal das Gefühl, dass ich auch gut darin bin. Und dieses Gefühl habe ich ganz selten, kaum, nie. Ich bin mir selbst nie gut genug. Wenn ich darüber nachdenke. Doch dieses Denken hilft nix. Manchmal muss man seine Selbstzweifel und Kämpfe vergessen, die bis zuletzt den Gang beschwerlich gemacht haben und die zwei Herzschläge weiter ihre undankbare Rolle wieder aufnehmen werden. Dieses eine Mal genug sein ohne Glanz und Glamour. Dieses eine Mal in der goldenen Mitte ruhen. Und das bitte viele Male. Und das bitte auch ohne den künstlich erzeugten Rausch. Das wünsche ich mir und auch den fernen Freunden. Und ich möchte uns sagen: Habe Geduld gegen alles Ungelöste in deinem Herzen. Wenn die Zukunft den Weg freihält, das Echo der Vergangenheit nicht mehr ins Jetzt reicht und die Minuten der Gegenwart ins klare Bewusstsein rücken, dann wird das Erwachsensein zum wohligen Ausgangsort für alle freien Wünsche und Gedanken. Dann wird unser Erwachsensein uns helfen, zu vergeben, vor allem sich selbst zu vergeben.
Es ist nie zu spät, seinem Leben eine neue Richtung zu geben, einen neuen alten Traum zu leben, sich dafür zu entscheiden. Das verstehe ich mit jedem Lebensjahr umso mehr. Und freue mich auf die Unausweichlichkeit dieses Werdens.
Gefühle, klar wie das kindliche Sein, komplex wie die Wirrungen und Irrungen erwachsener Entscheidungen. Ihnen trotz allem die Schönheit zu erhalten ist oft mein größter Schatz.
Wir können die Menschen, die wir lieben, nicht retten. Jeder hat ein schwarzes Loch in sich, in seinem Herzen, in seiner Seele. Und jeder ist auf seine Art und Weise auf der Suche nach einem Weg, dieses große schwarze Loch zu füllen, damit leben zu können.
Wir können die Menschen, die wir lieben, nicht retten. Lieben können wir sie trotzdem.
„Mitten im tiefsten Winter wurde mir bewusst, dass in mir ein unbesiegbarer Sommer wohnt.“ Albert Camus

Ja, du schreibst wirklich gut. Ich erwarte sehnsüchtig jeden neuen Blogbeitrag von dir. Lässt du damit doch teilhaben an deinem Inneren.
Und ja, Blödsinn höre ich sehr gerne…
Danke! Dann versuche ich öfters mal zu schreiben, inklusive Blödsinn zum Weitersagen 😉
Ja, bitte. Ich gebe Bescheid, wenn ich es für Blödsinn halte. ?