Unsere Kinder sind stets auch Spiegel unserer Selbst. Sie spüren mit ihren weit ausgeworfenen Fühlern unsere vielschichtigen und so oft ambivalenten Gefühlsoasen. Sie fühlen oft schon dort hervor, wo wir uns noch in die Gefühls-Erkenntnis grübeln. Sie spüren unsere stille Freude genauso wie das drückende Schweigen in Krisensituationen. Das erleben sie alle gleichermaßen intensiv, egal ob mit beiden oder nur mit einem Elternteil oder mit anderen nahen Bezugspersonen lebend. Zuweilen zermalmen wir Alleinerziehenden uns jedoch ein wenig mehr den Kopf darüber, wie viel unsere Kinder in oder nach Trennungssituationen mit uns durchmachen mussten oder müssen. Ihnen wird eine ganze, einst vielleicht gefühlte heile Welt mit Mama und Papa entzogen. Sie werden mit zwei neuen, zuerst oft sehr konfliktbeladenen und noch auf ,wackeligen Beinen‘ stehenden Welten konfrontiert, die es nun so anzunehmen gilt. Sie tragen ihre Trauer und Unsicherheit mit sich in die neuen Alltagsstrukturen. Eine selbstverständliche Familienwelt wird mit einer erschreckenden neuen Selbstverständlichkeit aufgelöst, umgeformt, ihnen in neuer Erscheinung übergestülpt. Und zu all diesen emotionalen Herausforderungen, die sie sehr oft mit sich selber ausmachen wollen oder müssen, kommen noch wir Eltern mit unseren Irrungen und Wirrungen der Trennungszeit und laden diese Emotionen oft unbewusst und ungewollt auf ihren Köpfen ab. Und wir sitzen am Ende des Tages mit einem wachsenden Schuldgefühl ihnen gegenüber oder aber mit einer fehlenden Sensibilität, je nach Tagesform und Trennungsphase. Und wir vergessen. Vergessen, dass unsere Ängste nicht ihre sind, dass unsere versiegelnde Liebe dem anderen Elternteil gegenüber nicht die ihre ist, dass all die Differenzen, die wir großen Erwachsenen zwischen einander ausbrüten nicht die ihren sind. Wir vergessen, dass Kinder beide Eltern gleichermaßen lieben wollen, dass sie beide vermissen und beide um sich haben wollen.
Wir werden die Zeit nicht zurückdrehen und unsere Fehler und Entscheidungen nicht mehr revidieren können. Aber wir können im Jetzt unser Herz für unsere Kinder und ihre Wünsche und Bedürfnisse sensibilisieren und dem lauschen, was da aus ihren Herzen mitschwingt. Wir können ihnen zeigen, wie wir Erwachsenen auch nach einer Trennung respektvoll ihrem Vater oder ihrer Mutter begegnen. Wir können ihnen die uneingeschränkte und meist unausgesprochene Erlaubnis geben, beide Elternteile lieben zu können. Wir können unser unvoreingenommenes Schweigen vor ihre Kinderseele ausbreiten und es sie mit Sprache füllen lassen, mit ihrer Sprache, die Sprache der Trauer, der Freude, der kindlichen Gedanken.
Schenken wir ihnen mehr von dem Urvertrauen, was ihnen ein sicherer Strang durch ihre Lebensgeschichte sein soll, auch dann noch, wenn wir nicht mehr da sein werden. Auch sie spüren und wissen, was gut für sie ist.