In den langen, dunklen, müden, in die Nacht hineingreifenden Abenden ereilte mich die Sehnsucht nach lyrischen Ausschweifungen, nach einem Wahrnehmen und Fühlen im geschrieben Wort, in einer langen Aneinanderreihung getippter Gedanken, gefühlter Buchstaben. Als ob mich die Sprache über die Abhänge unter meinen Füßen zu neuen Ufern schwingen könnte, hinein in den Glanz des frühen Morgens. Als ob mich die Sprache rein waschen könnte vom Staub fehlender Emotionen zwischen den Alltagsinseln. In den langen Stunden des Alleinseins am Abend breitet sich Raum aus für kleine magische Schreibmomente, begleitet von Dichtern und Denkern aus fern weg, aus dem Jenseits, aus meiner Selbst. Sie flüstern mir Sehnsüchte und Fernweh ins Ohr. Sie schreiben sich in kleinen Phrasen ins Langzeitgedächtnis, füllen Worte mit neuen Bedeutungen und geben erschöpften Gefühlen neuen Schimmer. Ich wünschte, ich könnte ihn über die Hoffnungslosen streuen, die in den kalten Straßen am Bahnhofsvorplatz ihre schmutzigen Schlafsäcke falten und in löchrige Plastiktüten drängen, die Obdachlosen, die Wohnungslosen, die Heimatsuchenden. Morgen schreibe ich ihnen mit dem Guten-Morgen-Gruß einen Hoffnungsschimmer in den Restraum der löchrigen Tüte hinein und flüstere uns Lauschenden ins wachsame Ohr:
„Das Universum verliebt sich immer in ein hartnäckiges Herz.“
Schreiben wollte ich eigentlich über meinen Arbeitsplatz, über den Teil in meinem Leben, der mir hilft, Miete zu bezahlen und an meiner Sozialkompetenz unter Kolleginnen zu feilen. Was heute zurückblieb an wichtiger Essenz zum Thema Mensch und Arbeitswelt ist der täglich bleibende Eindruck auf meinem Weg zum und vom Arbeitsplatz nah Berlin Hauptbahnhof. Tag für Tag, oftmals zur selben Tageszeit, begegne ich denselben Menschen in ihrem Alltagstreiben – der polnischen Verkäuferin einer Obdachlosenzeitung, dem bärtigen älteren Mann, täglich auf der selben Bank in seinen Schlafsack gehüllt liegend, dem italienisch sprechenden, meist aufgewecktem Mann, der es nie unterlässt, mich mit einem „buongiorno“ zu grüßen, wenn er mich wieder erkennt oder einfach wahrnimmt. Ihnen auf Augenhöhe zu begegnen ist die eigentliche Herausforderung auf meinem Arbeitsweg. Zu begreifen, dass sie wie wir versuchen oder versucht haben, das Leben zu meistern, Risiken einzugehen, Träumen nachzujagen. Ein jeder hat seine Geschichte. Und es ist stets eine Bereicherung, wenn uns ein paar Minuten Lebenszeit ,abzuknüpfen‘ sind und wir einer dieser Geschichten kurz lauschen können.
„Magic happens when you do not give up, even though you want to. The universe always falls in love with a stubborn heart.“ (Zitat Anonym)