Nebenkostenabrechnung zu Weihnachten

Pünktlich zum großen Weihnachtsfest kam sie endlich an – die Nebenkostenabrechnung 2018. Mein netter, leicht untersetzter Siedlungshausmeister Herr L. überreichte sie mir etwas verlegen grinsend und zu Boden schauend in der Spontanbegegnung im Treppenhaus am Briefkasten. „Ach, die Betriebskostenabrechnung ist endlich da“, sage ich, noch mit leicht überheblichen Hinterkopfgedanken – ,mich haut eh nix mehr um Heiligabend‘. Vollbepackt mit einem gefühlt zwei-Wochen-Vorrat nach einem Durchkämpfen durch die gängigen Einkaufsrauschlebensmittelläden und um eine dreistellige Eurosumme leichter bin ich auf den Inhalt der Post voller Aversion und abweisend neugierig gespannt. Gleich zwei fette Umschläge lüften noch beim Hinaufschleppen des vollgeladenen Körpers die Gesamtsumme von vier Mal Großeinkauf an Weihnachten. Kacke. Ich fühle mich umgehauen, und das Heiligabend vormittags.

Und schon geht die Maschinerie der (weiblichen) Multitasking-Gedankenstränge im aufgezogenen Tempo los. Im Sekundentakt werden kreative Ansätze zu Lösungswegen aus der Kack-Situation herausgestülpt: Vielleicht kann ich noch ein paar Geschenke an den Weihnachtsmann zurückschicken? Ich könnte aber auch das Katzensparschwein meiner Tochter plündern! Langfristig planend sollte ich vielleicht mehr Komik als Lyrik auf den Markt bringen; gut verpackte poetische Melancholie hat sich noch nie gut verkauft. Ich könnte aber auch mein kleines Gartenstück mit erstklassigem Hanf aussäen und meine Gesamtarbeitssituation überdenken. Und während im Radio ein entfernt bekannter Sänger „Thank god it´s christmas“ singt, verabschiede ich mich im Geiste von dem Sommerurlaub 2020, den dringend notwendigen Schuhen für mich und der seit über einem Jahr fälligen Flur-Garderobe. Währenddessen streiche ich leicht angestrengt mit beiden Händen über meine stotternde Spülmaschine und hoffe, sie begreift, dass sie der beste Familienfreund ist und uns jetzt unter gar keinen Umständen im Stich lassen kann! Und, lieber Gott, lass bitte die Zahnarztrechnung irgendwo auf dem Weg zu uns verschwinden und schenke meinem Arbeitgeber die weise unangefragte Einsicht, dass ich definitiv gehalttechnisch falsch eingestuft bin.

Und dann, ganz plötzlich, mitten im Auspackchaos in der Küche legt sich das Unwetter im Geiste. Das Wort Unwetter existiert doch gar nicht. Und ich zücke mein Smartphone und schreibe auf Twitter: „Lasst uns einfach Weihnachten durchglänzen, vollstrahlen, mit Licht die Vorbeihuschenden bewerfen… dem großen Herzzweifel trotzen.“ Es ist irgendwie schon immer gut gegangen und es wird auch diesmal irgendwie werden. Wir steigen einen Schritt nach dem anderen durch die Alltagsbaustellen und packen sie eine nach der anderen an. Dazwischen ist das eigentliche Leben, dazwischen sind wir.

Und heute, zwischen den Jahren (was für ein cooler Ausdruck) erinnere ich mich an die Feiertage im Großfamilienkreis und an ein paar schöne Momente, in denen es allen gut ging, wir einander nah hatten und waren und im Kunststernenhimmel des weihnachtlichen Lichterglanzes Zuversicht fanden. Unser Leben füllte sich mit Energien, Lachen, Tränen, mit Leben. Packen wir nun vollgetränkt damit die nächste kleine Baustelle an.

Ich wünsche meiner kleinen aber feinen Leserfreundeschar gutes Durchatmen und Aufleben in der verbliebenen freien Zeit der Festtage zum Jahreswechsel und ein kraftvolles Anpacken der „Problemzonen“ im Neuen Jahr. Ziehen wir auch durch den längsten „Problemtunnel“ die Neonröhre über unsere Köpfe und strahlen! Tageslicht wird kommen…

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Matthias

    Die in kleiner stetiger Weise erbaute Stimmung zur Weihnacht im Trubel der Zeit der Ankunft, zusammengeschrumpft und nahezu aufgelöst. Und mühsam muss die Weihnacht wieder und das Licht wieder in uns leuchten. Und während die Nebenkostenrechnung am Tag der Weihnacht hereinschneit, ist es bei anderen Post vom Finanzamt, die tatsächlich nur ihrer Arbeit nachgehen. Manche müssen Geld verdienen, andere wollen noch mehr verdienen. Und so bleibt nur das stetige kleinteilige nach vornschauen. Und jeder noch so kleine schöne Moment ist viel mehr bedeutungsvoll als jene Minuten des Erschreckens. Es wird …

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