Verliebtsein, der erste Kuss, die ersten Beziehungsversuche – die Liebe ist ein großes Abenteuer, voller unerfüllter Sehnsüchte, Missverständnisse, Einklänge, Verirrungen, Gefühlsinseln der Einheit im Dreiklang Körper, Seele und Geist und voller Nöte der eigenen Unzulänglichkeiten. Sie kann wunderbar sein und unbarmherzig leidvoll und wird ihr tiefstes Geheimnis, ihren Kern des großen Zaubers, nie preisgeben. Auch für mich hatte sie einige unvergessliche Begegnungen übrig und ich möchte keine davon missen. Doch sie ist nicht mein größtes Abenteuer.
Mein großes Abenteuer bin ich selbst, ich als Frau, als Mama, als Schwester, Freundin, Tochter, Mitmensch, Kollegin, Nachbarin, Kind und Erdbewohner, ja sogar ich als Ex-Freundin einer Freundin oder eines Freundes. Das sind viele kleine Sonnensysteme, die jeder ihre Sonne, ihre Monde und Kleingestirne haben. Und mit viel Abstand am späten Abend bilden diese Sonnensysteme eine große Galaxie, die alles vereint. Doch was bin ich inmitten der Sternenkonstellationen und des Gestirngewusels? Was macht mich aus, wenn ich nicht in Bezug stehe zu einem anderen Menschen in einer meiner Lebensrollen? Ich bin die Leere dazwischen, die schwarzen Abgründe, der Höhenflug ohne Höhenbegrenzung, der luftleere, undefinierte Raum zwischen den Leuchtkörpern, die sich benennen und eingrenzen lassen in Persönlichkeiten, Rollenspiel, geeignete Verhaltensweisen. Ich bin nichts und muss nichts und kann alles sein, was nur in meiner Vorstellungskraft liegt. Ich bin die, die frei ist und sich Ihrer Freiheit oft gar nicht bewusst ist. Ich bin die, die glücklich ist und sich ihres Glückes oft beraubt fühlt. Ich bin die, die schön ist und ihre Schönheit meist hinter vielen Tagestüchern verborgen hält.
Ein Tag ist eine Flüchtigkeit in unseren Erinnerungen. Er kann uns durch viele Denkwege führen, vorbei an Entspannung, Erholung und dem noch am frühen Morgen Gewünschten. Wir können eine festgemeißelte Meinung in die Mühle der Gedankengänge werfen und diese am Abend unversehrt in gleicher Form wieder ins Abendlicht ziehen und uns wundern über die Standhaftigkeit fragiler Gedanken. Dieselbe Meinung kann am Tag darauf ein flüchtiges Gefühl aus den Morgensocken hauen, in die Gefühlswelt eines langen Tages schleudern und bis zur Unkenntlichkeit des Grundgefühls am Abend zerlegen. Jemand rettet dich und lässt dich am Nachmittag in den Abgrund springen. Und ein Tag kann eine Ewigkeit in unseren Erinnerungen werden.
Ich bin mein größtes Abenteuer. Und wenn mir die Worte fehlen für all das Fühlen, das mich umspült und verweht und durchrüttelt im Laufe der langen Tagesstunden, dann lasse ich Musik erklingen und warte einen kleinen Augenblick, bis mich der Klang einholt. Wenn dann die Worte immer noch fehlen, so habe ich doch weiterhin einen Ort des Wohlbefindens zum musikalischen Verweilen. Alte Melodien, gut gekannte Textpassagen, lieb gewonnene neue Lieder – woher auch immer die Gesamtpakete kommen. Ich bin dankbar für jede Minute im wohligen Klang.
Tiefe Verbundenheit lässt sich nicht auflösen, wenn sich das Herz versperrt. Ein freier Mensch wird jeden losen Ast im Wind dem sicheren Käfig vorziehen. Ein Träumer wird jeden Blick gen Horizont dem Blick auf seine materiellen Güter vorziehen. Wir leben nur außerhalb unserer Komfortzone.
Und dann wird es Zeit, um ein Kapitel zu beenden, ein Buch zu schließen, einen Lebensabschnitt loszulassen. Dann wird es Zeit, sich auszusieben, sich zu entfernen, um sich selbst wieder näher zu kommen. Mit einer letzten großen Portion Charme drehen wir unsere Abschiedsrunde im wohligen Gewohntem. Das große Stück Sehnsucht nach einem weit entfernten Menschen sitzt währenddessen wie ein unbeholfenes großes Kind im Abstellzimmer und glaubt nicht an Bewegung. Es glaubt an nichts mehr. Es ist nur noch da, weil es für nichts anderes bestimmt war als für das Warten. Und doch lüge ich flüsternd in den Raum hinein: „Gute Nacht, bis morgen.“
Und am Morgen wartet sie dann auf mich, mein größtes Abenteuer.
Und zerlegt ihre feste Meinung des Vorabends mit neuer Sicherheit im Ausdruck. „Mein größtes Abenteuer ist die Begegnung mit dir, der du nicht ausweichst mit deinen sehenden Augen“, flüstert sie mir verschlafen ins Ohr. Ich sehe dich ist plötzlich so viel mehr als Ich liebe dich.
Fühl dich gesehen.

Die Gedanken sind frei …
Auf dem Weg zu sich selbst.
…und auf allen bunten Umwegen 😉
„Ich bin nichts und kann alles sein….“ ?
Wir pendeln ganz gut dazwischen, mit starken Ausschlägen ins Alles 🙂
Fühl auch du dich gesehen. Und ja, das Glück muss man auch sehen können. Das Bild ist ein Beispiel. So schön.
Danke! Ich mag es auch sehr und schaue es manchmal an, wenn das Glück gerade anderweitig zu tun hat…