Daenerys Targaryen hatte gleich drei von ihnen. Sie sind majestätisch und schön anzusehen. Sie spiegeln die Naturgezeiten in ihren täglichen Transformationen und Bewegungsabläufen wieder. Sie vereinen die Gesetze des Weltalls und die Unerklärbarkeit der kleinen Wunder in ihrem Sein. Und doch, zuweilen, trotzdem oder gerade deshalb – an manchen Tagen werfen sie sich die Drachenlaunen mit wenig Unterlass im Flug hin und her. Dann speien sie im Wechsel das Feuer der Empörung über die Häupter der Unzulänglichen. Das fast schon ausgewachsene Drachentier erbost sich über die Allüren der alternden Mutter, die von den Himmelsboten gesandte Drachentochter versucht sich über die Engstirnigkeit der Drachenbrüder zu erheben, der vom Feuergott gestreifte Jüngste kämpft sich mit seinem Schalk im Nacken aus den Schatten seiner Geister hinaus und die Mutter der Drachenkinder balanciert sich zwischen der Flut an absoluten Notwendigkeiten der Stimmungsgeber in ihren Luftraum hinein. Und wenn sie sie nicht so unendlich sehr lieben würde, säßen sie längst in Ketten gelegt im tiefsten Gewölbe ihrer Gemächer und würden sich im Schmollen ergeben.
Stattdessen stehen sie jeden Tag aufs Neue mit den ersten Sonnenstrahlen auf und bedecken mit leichter Garderobe die Drachenhäute bis zum Anbruch der langen Sonnenschatten am Nachmittag. Dann können sie wieder ganz sein wie Gott sie geschaffen und ihre Eltern sie hinausgetragen haben – geliebte Sonnenkinder auf Erden.
Auch ich habe gleich drei davon, drei wunderbare Kinder, die nicht unterschiedlicher sein könnten. Sie lieben und ,hassen‘ sich, verstehen und missverstehen einander, reichen sich die Hand und stürzen sich gegenseitig zu Boden. Und wenn die magische „Ich-hab-keine-Kraft-mehr-Abendstunde“ gegen 20 Uhr Feierabend einläutet, suchen sie doch nach einigem Murren und Knurren am Ende eines langen Tages in familiärer Harmonie das Ruhelager auf. Stille legt sich über ihre Drachenhäupter. Das wohlgenährte Urvertrauen nimmt einen tiefen Atemzug und breitet sich auf den Innenwänden unseres Zuhauses aus. Glück, in Unsicherheit gebettet. Hier will ich noch eine Ewigkeit verweilen, bis ein jeder von ihnen die reifen Drachenflügel zum Freiflug ausbreitet. Bis die Flugbahn einen jeden von ihnen ruft, sie in voller Spanne neugierig und furchtlos den ersten Sprung in eine weite Zukunft wagen lässt. Bis dahin umspanne ich mein mit Zuversicht vollgesogenes Herz mit anständigen Portionen Sekundenglück und halte mich mit ganz viel Nervenfutter am Laufen. Und vor ihrem Abflug packe ich ihnen ein paar Weisheiten von der unkonventionellen Joan Erikson in den Koffer:
„Tanze jenseits der Brandung. Stelle dich deinen Ängsten. Verlass dich auf deine Stärken. Sei immer bereit, Herausforderungen anzunehmen. Wachse über dich hinaus.“